Belvedere: Das goldene Fleisch der Götter
Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Thomas Zaunschirms neuer Blick auf Gold

Die Schau über die Verwendung des Materials Gold - nicht der Goldfarbe oder anderer Ersatzstoffe - primär in der Gegenwartskunst, samt Rückblick bis ins Mittelalter und gedanklich selbst die Antike, ist in hohem Maß ungewöhnlich. Das liegt an Kurator Thomas Zaunschirm, der sich schon seit 1987 intensiv mit diesem Thema auseinandersetzt. An sich ist Gold aus dem Belvedere als Verzierung eines Prunkschlosses nicht wegzudenken, doch selbst in Sachen Gegenwartskunst hat sich die Kunstgeschichte bis heute nur allzu oft Irrtümern hingegeben. Denn schon die Sicht auf die Goldgründe der religiösen Malerei des Mittelalters wurde in diesem Fach oft falsch gedeutet.

Historisch in die Gegenwart
Seit Oswald Spengler Gold als Ausdruck von Sakralität im mittelalterlichen Bild beschrieb, kamen dem 20. Jahrhundert alle anderen Bedeutungen abhanden. Die Kunsttheorie der Renaissance schaffe das Blattgold in Bildern nahezu ab und im 19. Jahrhundert galt es sogar als barbarisch, bis Secessionisten wie Emil Orlik es über die japanische Kunst wiederentdeckten.

Die Schau beginnt mit dem historischen Rückblick, der allerdings in der Gegenwart verortet wird - darum sind Giandomenico Tiepolos Heilige in Grisaille auf Gold, Frans van Mieris unsichtbarere Goldgrundierung auf Kupfer und ein Mumienporträt der römischen Zeit in Ägypten, mit Ausstattungsstücken des 19. Jahrhunderts und spektakulären Werken der Gegenwartskunst von Richard Hamilton, Imi Knoebel und Chris Burden konfrontiert. Das Thema Rahmen wird fortgesetzt, der Rand des Bildes wird vom Verbannungsort des Goldes ab 1500 zum Bildthema nach 1945 bei James Lee Byars, Cornelius Kolig und Gerwald Rockenschaub. Humorvolle individuelle Mythologien zeigen sich in Stillleben und Landschaft, wobei Andy Warhol oder Marc Quinn und Theres Cassini mit weniger bekannten altmeisterliche Malerei und Gold kombinierenden Amerikanern und Japanern konfrontiert werden. Im Stadtraum gibt es vergoldete Bekrönungen - von Kreuzen über Wetterhähne, Globen oder Adler und Wappen - dazu ist das aus genau einem Kilogramm Gold bestehende Kreuz von Gerhard Richter konfrontiert.

Schmunzel-Subthemen
Einige Kreuze, aber auch goldene Kälber, ein Panzer, Fesseln, Engel, Kugel, Schreine oder Äpfel sind die kleinen Unterthemen, die zwischendurch Schmunzeln auslösen. Bei den traditionellen Werken des Sakralen ist vom frühen Ernst Fuchs über die neuen Ikonen mit Pop- und Fußballstars mit Goldnimbus eine Menge Frivoles und Komisches um Jimi Hendrix oder Kurt Cobain versammelt - auch wenn manches Werk wie Kitsch erscheint, sind die Bedeutungen selbst dabei vielfältig. Denn dieser Begriff wird von Zaunschirm einer anspruchsvollen weiterführenden Revision nach Vilém Flusser und Konrad Paul Liessmann unterzogen: Der schlechte Geschmack ist längst Thema der Kunst geworden und das Gold hat seinen Anteil daran. Alles nur eine Frage der Ironie in diesen heiligen Museumshallen?

Ausstellung
Gold
Thomas Zaunschirm (Kurator)
Unteres Belvedere, Orangerie und Prunkstall
bis 17. Juni 2012

 


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