Salzburger Nachrichten 21. Dezember 2015
Extreme Schönheit ist kalt und hart
von Hedwig Kainberger

Die Künstlerin Theres Cassini entlockt der Natur übernatürliche Farbkraft.

SALZBURG. Wer Theres Cassini Tulpen oder Hyazinthen schenkt, sollte gefasst sein, dass diese Frau eiskalt
und mit aller Härte zupackt. Was da herauskommt, ist seit Samstag im Fotoraum der Festung Hohensalzburg
zu sehen: vor Farbkraft und Dynamik strotzende Bilder.

Hier hält ein Stängel dem wogenden Wasser stand, während ein anderer sich den Fluten ergibt? Irrtum!
Theres Cassini hat Eis und eine darin erstarrte Hyazinthe fotografiert.
„Das Blau im Hintergrund ist von der Blüte“, sagt die Künstlerin über das Bild Nummer 4 aus der Serie „Glühend Eis“.
An Blumen verwende sie, „was gerade da ist“– einmal etwa einen Tulpenstrauß, den ihr ein Gast mitgebracht habe,
der zu einer „Lichtspeise“ – für eine ihrer früheren Bildserien – eingeladen gewesen sei. Die Tulpen habe sie eingefroren
und dann die tauenden Blöcke fotografiert.Drei der Bilder hängen nun im Fotoraum auf der Festung als Triptychon.
Mit einer Amaryllis hat sie noch härter hantiert als mit den Tulpen und der Hyazinthe: Sie habe den Eisblock
mit den tiefroten Blüten „auf dem Boden zerschmettern lassen“, schildert Theres Cassini. Als der gebrochene
Block zu schmelzen begonnen habe, sei aus den Blättern roter Saft getrieft. Ihre erste Assoziation:
„Blüten können bluten!“
Die welke Amaryllis weckt zunächst eine Melancholie, doch diese kippt in Entsetzen über die brutal ermattete,
extrem letscherte Blüte. Auch diese Botschaften vermittelt „Glühend Eis“: Mit viel Energie (hier für das Einfrieren)
und mit unverrottbarem Material (hier Plexiglas als Bildträger) erzeugen wir immensen Konsum und übernatürliche
Schönheit. Treiben wir dies ins Extrem, zerstören wir die natürliche Regeneration des Welkens und Nachwachsens.
Daran erinnert Theres Cassini auch anhand der Daten, die sie in jedes der Bilder in die linke obere Ecke ritzt.
Diese markieren den Tag des jeweiligen Jahres, an dem der Mensch die ihm für langfristiges Überleben zur
Verfügung stehenden Ressourcen der Erde verbraucht hat.
Ausstellung: Theres Cassini – Glühend Eis, Fotoraum der Festung Hohensalzburg
(im Hohen Stock),
bis 3. April, täglich 9.30 bis 17Uhr.






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