KRONE BUNT  9. November 2008
Neue Kunst

Cassinis Lichtspeisen von Claus Pandi

Einen besonderen Platz in der Kunst nimmt die österreichische Fotografin Theres Cassini ein. Mit ihren "Lichtspeisen" erreicht sie alle Sinne, verzaubert Betrachter und Genießer gleichermaßen. Ihre kulinarischen Collagen sind mehr als ein ästhetischer Genuss.

Der Leucht-Esstisch in Theres Cassinis weitläufiger Wiener Atelier-Wohnung ist eine Augenweide. Blüten aus Schönbrunn, Luftschaum von der Holunderblüte, Schwalbennester in Kokossuppe, Obelisk aus marinierten Kamut-Dinkel-Nudeln mit Kurkuma-Gelee-Spitzen und Mangomurmeln in Heidelbeermark auf gläsernem Geschirr - schon die Menüfolge ist Poesie. Dann wird gerochen und gekostet und von den Tellern geleckt. Und viel gelacht. Aber nicht geraucht und nicht gestritten. Und die "Lichtzeichnerin", wie der Kunsthistoriker Thomas Zaunschirm sie in seinem Buch "Cassinis Lichtspeisen" bezeichnet, dokumentiert die märchenhafte Szenerie. Diese hat etwas Geheimnisvolles, Sphärisches. Denn die "Lichtspeisen" vertragen, so paradox es klingen mag, kein helles Licht. Sondern eine verhaltene Beleuchtung, ein kontrastierendes Dämmerraumlicht, in dem die Materialien erscheinen und nicht geblendet wird. Eine Wirkung, die zusätzlich aus den verhaltenen Gerüchen gespeist wird. Eine Mischung aus venezianischem Festschmaus bei Kerzenlicht und entrückter Feen-Landschaft. Eine hermetisch abgeschlossene Welt wie in Gelee.
Seit Anfang 2006 lädt die Künstlerin zu ihren "Lichtspeisen". Die Menüfolgen werden ständig abgewandelt, erweitert und sind stets strikt vegetarisch. Theres Cassini ist keine Kochkünstlerin und auch keine Künstlerköchin, sondern eine ermunternde Regisseurin. Sie erweitert die bildenden Künste um neue Wahrnehmungen von verhaltenen Düften und Aromen. Sie inszeniert ihre transparenten Speisen, schafft einen literarischen Kosmos, in dem die Gäste an der Lichttafel die kulinarischen Miniaturen verzehren und mit selbst-darstellerischer Freude selbst Teil dieser Objektkunst werden, aus der Cassini dann ihre Bilder schafft. Sie collagiert die bizarren Momentaufnahmen der Abendessen mit körperbezogenen Szenen und montiert sie in Leuchtboxen.
Theres Cassini schließt mit ihrer Kunst nicht nur eine Lücke, sondern sie erweitert die in der Kunstwelt und noch mehr bei Dilettanten gerne ge- und noch mehr missbrauchte Redewendung, dass sich über Geschmack nicht streiten lässt, um einen Bedeutungsinhalt.

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