KLEINE ZEITUNG 18. November 2004
Die Kathedralen des Geistes von Bernd Czechner
Jesus und Teufel, Buddha und Attentäter - leibhaftiger Gott oder der "Leibhaftige"; in der Klagenfurter Galerie3 geht es um den nackten Menschen.
"Leib" also ist das Thema einer Ausstellung, in der sich Malerei und Zeichnung, Plastik, Fotografie und Objektkunst mit den sterblichen Hüllen der Ebenbilder Gottes einlässt/abgibt/befasst... In der sinnlichen Salonatmosphäre der beiden Haupträume mischen sich die Leibsbilder von A-nzinger bis Z-itko in durchaus keuscher Distanziertheit. Eine Collage von Daniel Spoerri etwa verweist indirekt auf die "Leibesfülle" (Otto Zitko), der wiederum mit den Papierarbeiten "Fetter Zwitter" und "Mutterleib" mit den textilen Objekten von Ina Loitzl korrespondiert. Cornelius Kolig leitet von der idealen Form seiner Filzpatschen den Begriff "Nackt" ab (drei Zeichnungen), Martha Jungwirth seziert die Leiblichkeit mit ihrer Strichkunst. Anton Kolig verbessert die Bilanz des männlichen Leib-Anteils in der Schau, Valentin Oman gemahnt der Sterblichkeit, während Hans Bischoffshausen aus dem Gedächtnis schöpft ("Blinder Seher").
Leibesübungen
Die Schau ist eine Wiederbegegnung, Überraschung und Entdeckungsfreude - zumal die beiden Schausalons nach gebührender Betrachtung entlang eines schmalen Ganges (in dem der "Morgenstern" Ina Loitzl mit Leibes-Blüten reizt) in das "Kabinett" verlassen werden können. Dort nämlich hat Theres Cassini ein räumlich erlebbares virtuelles Leibesübungsstudio eingerichtet. Gleichsam im Inneren eines weißen Würfels steht das Sportgerät. Dieser hart ausgepolsterte Bocksprung-Bock, der augenblicklich den adoleszenten Turnsaalgeruch in das Gehirn signalisiert. An den Wänden lebensgroße Nacktkörper; schwebend, stürzend, wirbelnd - eingegossen in transparent-harziges Sekret. Bewahrt, konserviert - geschützt? Theres Cassini geht von einer einschneidenden eigenen Körpererfahrung aus. Ihre Kunst ist die Versinnlichung dessen, was allgemein Albtraum genannt wird. Mit an altmeisterliche Malkunst erinnernder Fotomanipulation (Computer bearbeitete Live-Fotos) treibt sie das Entsetzen zur obsessiven Lustlösung. Weitet den Blick zur jüngstgerichtlichen Himmel/Höllenfahrt, konzentriert sich im Zuge dessen auf den Maßstab 1:1, um schließlich förmlich in die Haut zu schauen, sich anzusaugen an den Leib, "so etwas wie amorphe Biomasse zu erkennen glauben zu lassen: Körperteig, Pflanzentrieb" (Zitat Martin Adel).
Theres Cassini spielt mit den Medien Fotografie und Computer, die große Malerei der (alt)meisterlichen Allegorie wieder. Sie entwirft ein virtuelles Welttheater auf kleinstem Raum, relativiert und bestätigt (durch ihre Kunst) die barocke Formulierung, nach der der menschliche Leib die Kathedarle des Geistes sei.
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